Grüner Strom - eine Mogelpackung?

 

Am 29.4.1998 trat das neue Energiewirtschaftsgesetz in Kraft. Nach Jahrzehnten des "Gleichstroms", der den Verbrauchern keine Wahl ließ, sahen viele ökologisch bewusste Stromkunden in der Wahlfreiheit des Strombezugs nun den großen Fortschritt des neuen Energierechts. Über einen bewussten Stromkauf – so hofften die Verbraucher - könne die bisherige Kraftwerksstruktur verändert werden, wenn nur viele Kunden Atomstrom verschmähen und stattdessen Öko-Strom kaufen würden.

Doch Vorsicht! Nicht überall, wo "Öko" draufsteht, ist auch Öko-Strom drin! Überhaupt bekommt der Kunde natürlich wie bisher nur den gewöhnlichen Strom-Mix geliefert. Was sich unterscheidet, sind die vertraglichen Beziehungen zwischen Erzeugern und Stromhändlern. Dieses grundsätzliche Problem, das bei nahezu allen Anbietern auftritt, kann anhand des Angebots der NaturEnergie AG verdeutlicht werden.

Der Stromversorger Energiedienst bewirbt sein Öko-Stromangebot mit „100 Prozent Erneuerbar“. Zitat von der Webseite: “Mit NaturEnergie verbessern Sie entscheidend Ihre CO2-Bilanz. Das ist nicht nur gut für unsere Umwelt, sondern auch ein Wettbewerbsvorteil für Sie.“ Neben dem Strom der über das EEG gefördert wird, verkauft Energiedienst seinen Öko-Stromkunden vom TÜV-Nord zertifizierten Strom aus Wasserkraft.  

Wenn der Kunde nun glaubt etwas für die Umwelt getan zu haben, indem er seinen Stromverbrauch vollständig auf "grünen Strom" umgestellt hat, hat er sich getäuscht. Tatsächlich hat er keine Veränderung in der Energieversorgung bewirkt. Denn die Wasserkraftwerke, die bereits bisher Strom geliefert haben, liefern weiterhin dieselbe Menge Strom. Dieser Strom wird völlig unabhängig davon produziert, ob die NaturEnergie AG (eine Strommarke der Unternehmensgruppe Energiedienst) viel oder wenig Strom an ihre Kunden liefert. Dies hängt mit der Kostenstruktur der Wasserkraftwerke zusammen. Wasserkraft weist von allen Stromerzeugungstechnologien – ebenso wie Wind- oder Sonnenenergie - die geringsten variablen Kosten auf. Da jeder Kraftwerksbetreiber stets diejenigen Kraftwerke als erste in Betrieb nimmt, die die geringsten variablen Kosten aufweisen, werden die Wasserkräfte immer genutzt, wenn genügend Wasser zur Verfügung steht. Mit dem Stromverkauf an die neuen Kunden ändern sich somit nur die vertraglichen Beziehungen zwischen Kunden und Lieferanten, nicht aber die tatsächliche Stromerzeugung. Der Kraftwerksmix zur Stromerzeugung bleibt also derselbe - nur die Einnahmen aus dem Stromverkauf des Stromhändlers steigen. Interessant ist auch, dass die Firma Energiedienst ihre gewöhnlichen Kunden, die kein Ökostrom-Produkt kaufen, mit Wasserkraftstrom, Kohle- und Atomstrom beliefert. Wechselt nun ein Stromkunde auf Ökostrom, so wird diesem Kunden mehr Wasserkraft zugeschrieben, gleichzeitig erhöht sich der prozentuale Anteil für Kohle- und Atomstrom bei den verbliebenen Normal-Kunden.

Den einen oder anderen Kunden könnte ob dieser Erkenntnis der (Strom-)schlag treffen. Doch die Enttäuschung einiger Haushalte ist nur ein Aspekt. Darüber hinaus sind weiterreichende Folgen zu erwarten: Die Öko-Strom-Kunden gehen davon aus, dass ihr Strombezug keine Emissionen verursacht. Dementsprechend können sie auf die Idee kommen, ihr Haus z.B. mit einer Wärmepumpe zu beheizen oder den Gasherd durch einen E-Herd zu ersetzen. Dadurch würde sich die zunächst wirkungslose Umstellung auf Öko-Strom als emissionssteigernd auswirken. Das gleiche gilt für den Gebrauch eines E-Fahrzeugs. Auch hier könnten sich die falsch informierten Öko-Stromkunden der Illusion hingeben, dass sie emissionsfrei fahren und die öffentlichen Verkehrsmittel links liegen lassen.

Ein verlässliches Label für „echten, zusätzlich produzierten Ökostrom“ gibt es in Deutschland nicht. Aber wenn der Stromkunde einen Beitrag zur Veränderung in Richtung „Energiewende“ oder "Solare Energiewirtschaft" leisten will, sollte er darauf achten, bei wem er den Strom einkauft. Kauft man bei einem Versorgungsunternehmen, welches gegen das Stromeinspeisungsgesetz geklagt hat oder hartnäckig an der Nutzung der Atomenergie festhält? Kauft man bei einem kommunalen Energieversorger, der immer noch krampfhaft versucht Blockheizkraftwerke in seinem Versorgungsgebiet zu verhindern und das "Grüne Strom"-Angebot nur als Imagemaßnahme betreibt?

Der Wechsel zu einem guten Ökostromanbieter macht Sinn. Gute Ökostrom-Unternehmen erkennt man daran, dass ihre Unternehmensstrategie eindeutig auf eine Umwandlung des bestehenden Energiesystems hin zu einer klimaverträglichen Energieversorgung ausgerichtet ist. Gute Ökostrom-Unternehmen unterstützen ihre Kunden beim Stromsparen und fördern regenerative Energiequellen sowie Blockheizkraftwerke. Gute Ökostromanbieter treten für verbesserte Rahmenbedingungen für den Klimaschutz ein, wie z.B. für eine CO2-Steuer.

In Kooperation mit dem Wuppertal-Institut hat das Büro Ö-quadrat ein Konzept für einen „Versorger-Test“ erarbeitet, der es den Energieverbrauchern erleichtern könnte, beim richtigen, ökologisch und sozial ausgerichteten Unternehmen einzukaufen.

In Kooperation mit der Hochschule Ruhr West und im Auftrag des Vereins „Der Energieverbraucher“ hat Büro Ö-quadrat im Jahr 2014 20 Energieanbieter anhand von Umweltindikatoren bewertet.

 

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