Kohle-Ausstieg beschlossen – Bremse bei den Erneuerbaren lösen!

Die Kohlekommission hat das Ausstiegsszenario aus der Kohle erarbeitet und in Abstimmung mit der Politik auch verabschiedet. Neben konkreten Ausstiegsmeilensteinen hat die Kohlekommission viele soziale, politische und ökonomische Aspekte berücksichtigt, um damit einen breiten politischen Konsens zu schaffen. Bis 2030 soll die Leistung der aktiven Braunkohlekraftwerke um 10.900 MW und die der aktiven Steinkohlekraftwerke um 14.700 MW gegenüber 2017 sinken. Spätestens Ende 2038 soll das vollständige Aus der Kohleverstromung kommen.

Umwelt- und Klimaschützern ist der Ausstiegsfahrplan nicht ambitioniert genug. Sie fordern einen rascheren Ausstieg. Dieser wäre möglich und nötig, um den Klimaschutzzielen gerecht zu werden. Aber bereits beim vorliegenden Ausstiegsszenario klafft eine große Lücke zwischen dem auf dem Papier abgeschalteten Kohlestrom und der nach dem gültigen Ausbaupfad des Erneuerbaren Energien Gesetzes zu erwartenden Stromerzeugung aus Wind, Sonne, Wasser und Biomasse.

Im Gutachten wird zwar der Ausstieg aus der Kohle im Detail dargestellt, nicht aber die Stromerzeugung, die den Kohlestrom ersetzen soll. Etwas lapidar beschränkt sich die Kohlekommission auf folgende Aussage: „Damit das im Koalitionsvertrag vereinbarte 65-Prozent-Ziel [für Erneuerbare Energien] erreicht werden kann, braucht es verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen in Erneuerbare Energien. Die Kommission empfiehlt außerdem, „… dass die jährlichen Zubau-Mengen für erneuerbare Energien im Einklang mit dem 65-Prozent-Ziel bis 2030 angepasst werden.“ (Abschlussbericht S. 76)

Konkret würde dies bedeuten, dass die Ausbaugeschwindigkeit gegenüber dem derzeitigen, gesetzlich verankerten Ausbaupfad für erneuerbare Energien mindestens verdoppelt bis verdreifacht werden muss, damit der Kohleausstieg nach Fahrplan gelingen kann. Dem steht aber das Erneuerbare Energien Gesetz entgegen , das von der schwarz-roten Regierung im Jahr 2017 von einem Förderinstrument in eine Ausbaubremse umgebaut wurde: 

  • So ist z.B. der Zubau von Windkraftanlagen an Land derzeit auf 2.800 MW brutto begrenzt. Jährlich wird also nur eine Leistung von 2.800 MW ausgeschrieben und im besten Falle auch in den darauf nachfolgenden Jahren gebaut. Werden die Ausschreibungen nicht voll gezeichnet, wie es z.B. bei der Herbstausschreibung in 2018 oder im Januar 2019 der Fall war, so wird die Fehlmenge in den Folgejahren nicht durch eine zusätzliche Ausschreibungsleistung ausgeglichen. So wurden bei der letzten Ausschreibung im Oktober 2018 insgesamt 670 MW an Windkraftanlagen ausgeschrieben, aber nur 57 Gebote mit einem Gebotsvolumen von 363 MW bezuschlagt. 
  • Die Ausbauziele sind Brutto-Werte, was bedeutet, dass vom Netz gehende Windkraftanlagen die tatsächliche Leistungszunahme reduzieren. Ab dem Jahr 2021 wird es in größerem Maßstab zu einem Rückbau von Windkraftanlagen kommen, da für Windkraftanlagen mit einer Leistung von insgesamt knapp 4.000 MW die Einspeisevergütung ausläuft. Der Bundesverband Windenergie sieht sogar die Gefahr, dass es unter den aktuellen Rahmenbedingungen im Jahr 2021 zu einem Rückgang der insgesamt installierten Leistung kommen könnte. 
  • Für die Solarenergie sieht der im EEG 2017 verankerte Ausbaupfad eine jährliche Bruttozubauleistung von 2.500 MW vor. Davon werden 600 MW durch Ausschreibungen für Großanlagen abgedeckt. Für die kleineren PV-Anlagen gilt: Wächst die Zubauleistung schneller als 1.900 MW pro Jahr an, so sinkt die Einspeisevergütung. Gleichzeitig droht mit dem 52 GW-Deckel der völlige Wegfall der Einspeisevergütung für PV-Anlagen in drei bis vier Jahren. 
  • Erst im November 2018 hat die Bundesregierung im Rahmen des Energiesammelgesetzes beschlossen, die Einspeisevergütung für Solaranlagen mit einer Leistung von 40 bis 750 kW ab dem 1. April 2019 um 14 Prozent abzusenken. Darunter werden nicht nur Projektentwickler für PV-Anlagen, sondern auch Mieterstromprojekte zu leiden haben.

Eine weiteres Thema auf das im Bericht der Kohlekommission kaum eingegangen wird, ist die Energieeffizienz. Denn eigentlich müsste der Ausstieg aus der Kohle durch eine systematische Erschließung der Effizienzpotential in Industrie, Gewerbe und Haushalte begleitet werde. Durch Studien und praktische Beispiele ist zweifellos belegt, dass mehr als 25 Prozent des Stromverbrauchs ohne Komforteinbuße eingespart werden können. 

Während auf der einen Seite der Ausbau der Regenerativen viel zu langsam vorangeht und durch die gegebenen Rahmenbedingungen gebremst wird, wird auf der anderen Seite die Sektorkopplung vorangetrieben: Der Verkehr und die Wärmeversorgung sollen zunehmend auf Strom umgestellt werden. Doch wie soll die entstehende Lücke zwischen Erzeugung und Nachfrage gedeckt werden?

Vor diesem Hintergrund muss die Bundesregierung, wenn sie es mit dem Klimaschutz und dem Kohleausstieg ernst meint, rasche und grundlegende Verbesserungen der Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien und für die Energieeffizienz herbeiführen. Sonst haben wir im Jahr 2030 nur die Wahl zwischen „Licht aus“ oder Kohlestrom – und somit auch der unausweichliche Ausstieg aus dem Kohleausstieg 2038.

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Dr. Sebastian Albert-Seifried
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