Klimaschutz predigen – Solarstrom besteuern
Die Bundesregierung hat sich auf Vorschlag des Finanzministeriums eine neue Schikane ausgedacht: selbst erzeugter Solarstrom soll besteuert werden. So soll es funktionieren: Der Betreiber einer Solaranlage misst den Strom, den seine Solaranlage erzeugt und den er in seinem Gebäude verbraucht hat. Produziert die Anlage mehr als 20 MWh (entspricht 20.000 kWh oder dem Verbrauch von 6 Durchschnittshaushalten), dann soll der Solarstromerzeuger pro Kilowattstunde 2,05 Cent Sonnensteuer an den Fiskus für den selbst verbrauchten Strom abdrücken – und zwar für die insgesamt verbrauchte Solarstrommenge. Diese geplante Steuer entspricht in ihrer Höhe der Stromsteuer, die alle Haushalts- und Gewerbekunden für Strom aus fossilen Kraftwerken und Atomkraftwerken bezahlen -wobei vielverbrauchende Industriekunden ja bekanntlich von der Stromsteuer ausgenommen sind.
Die Stromsteuer war ursprünglich im Zuge der Liberalisierung des Strommarktes eingeführt worden. Sie sollte die Verbraucher zum Stromsparen anreizen und um den Umweltbelastungen, die durch die fossile Stromerzeugung entstehen, einen – allerdings zu geringen – Marktpreis zu geben. Die Steuermehreinnahmen sollten zu einer Absenkung der Rentenbeiträge verwendet werden.
17 Jahre später hat Finanzminister Schäuble wohl vergessen, wofür die Stromsteuer gedacht war. Dieser Gedächtnisverlust wiegt schwer. Denn es ist nicht absehbar wie in Deutschland die Zusagen, die bei der Pariser Klimakonferenz gemacht wurden, erreicht werden sollen. Schließlich muss Deutschland seine Klimagase bis zum Jahr 2050 auf nahezu null reduzieren. Das kann nur gelingen, wenn auch die Solarenergie einen größeren Beitrag leistet.
Auch industriepolitisch ist der Vorschlag ein Armutszeugnis. Der Zubau von Solaranlagen ist in den letzten beiden Jahren nahezu zum Erliegen gekommen: wurden 2012 noch etwa 8.000 Megawatt an Solarenergieleistung neu installiert, waren es im Jahr 2015 nur noch rund 1.000 Megawatt. Der Zubau ist also um über 85 Prozent zurückgegangen. Die meisten Solarfirmen sind inzwischen pleite oder ins Ausland geflüchtet. Die Bundesregierung selbst hat mit dem novellierten Erneuerbaren Energien Gesetz im Jahr 2014 den Ausbaukorridor für Solarenergie auf eine Leistung von jährlich 2.400 bis 2.600 MW festgelegt. Obwohl also der tatsächliche Ausbau den Zielvorgaben um Meilen hinterherhinkt, will das Finanzministerium die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Solarenergie nochmals verschlechtern. Das wird vor allem gewerbliche Anlagen ab 20 kW und die Mieterstrommodelle für Solarstrom treffen. Damit nicht genug. Die Sonnensteuer soll nicht nur für neue Anlagen gelten, sondern auch für bereits installierte Anlagen.
Es ist doch seltsam: Alle Welt weiß, dass die offiziellen Diesel- und Benzinverbrauchsangaben der Fahrzeuge nicht stimmen und der reale Kraftstoffverbrauch zum Teil um bis zu 40 Prozent nach oben abweicht. Das ist nicht nur eine üble Täuschung der Käufer. Sie führt auch zu Steuerausfällen des Bundes bei der Kraftfahrzeugsteuer, da sich diese unter anderem über die zu niedrig deklarierten Verbrauchangaben der Fahrzeughersteller errechnet.
Während das Finanzministerium und die Regierung bei den Autoherstellern beide Augen zudrücken und damit erstens dem Klima großen Schaden zufügen und zweitens auf Mehreinnahmen in Milliardenhöhe verzichten, versucht man bei der ohnehin schon dahinsiechenden Solarenergie, die als wichtiger Baustein für den Klimaschutz genutzt werden müsste, den letzten Cent rauszupressen.In den USA hat der kommende Präsidentschaftskandidat Donald Trump gerade angekündigt, im Falle seiner Wahl das Klimaabkommen von Paris nicht zu unterzeichnen. Da wissen die Amerikaner wenigsten, was sie mit ihm wählen.
Bei uns läuft das anders: Die Klimaveränderung und die Erkenntnis, dass man etwas dagegen tun muss, ist unbestritten. Politiker posieren mit bedrohten Polarbären und halten visionäre Reden auf Klimakonferenzen. Und was bekommen wir? Eine staatliche Förderung von elektrischen Placebos auf vier Rädern und Steuern auf Solarstrom. Fehlt noch ein verpflichtendes Fahrtenbuch fürs Fahrrad, damit der Finanzminister auch die Radlerkilometer zur Haushaltsfinanzierung heranziehen kann – dann ist die erneute Energie- und Verkehrswende vollzogen.
Selbst wenn sich das Finanzministerium mit seinem Vorschlag nicht durchsetzen sollte, so ist der Schaden bereits eingetreten: Die Verunsicherung der Investoren und Wähler hat bereits stattgefunden.